VG Leipzig, Beschluss vom 11. September 2018 – 5 L 45318
Fazit vorab:

Ergebnis vorweg: Ein Jagd- und Waffenscheininhaber ist unzuverlässig i. S. d. § 17 Abs. 1 Nr. 2 BJagdG, wenn er mit seiner Jagdwaffe aus einem fahrenden PKW schießt. Dies stellt eine leichtfertige Verwendung von Waffen und Munition i. S. d. § 17 Abs. 3 Nr. 1 BJagdG dar. Schon die erstmalige Verfehlung hinsichtlich der Bestimmungen des § 17 Abs. 1 BJagdG kann die Feststellung der jagd- und waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen, insbesondere wenn hierdurch mehrfach und erheblich gegen die dem Inhaber eines Jagd- und Waffenscheins auferlegten Sorgfaltspflicht verstoßen wird.

Was war geschehen?

Der Antragsteller wendet sich gegen die Erklärung der Ungültigkeit samt Einziehung seines Jagdscheins, den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnis sowie die Verpflichtung, seine Waffenbesitzkarten abzugeben und seine neun eingetragenen Schusswaffen samt Munition unbrauchbar zu machen oder wegzugeben.


So soll er am 17.1.2016 als Fahrer mit seinem Geländewagen und zwei weiteren Insassen durch die Elbwiesen bei P gefahren sein und während der Fahrt aus dem Fenster heraus auf eine Rotte Wildschweine geschossen haben. Dabei seien einige Wildschweine getötet worden. Ein angeschossenes Wildschwein habe flüchten können, ohne dass eine Nachsuche durch die Gruppe des Antragstellers erfolgt sei. Die Anzeige des Vorfalls erfolgte durch einen anonymen Dritten.

Bei der Anhörung räumte der Antragsteller ein, auf der Pirsch gewesen zu sein und da das morastige und wasserführende Gelände eine erfolgreiche Nachsuche unmöglich gemacht hätte, habe man mit dem Fahrzeug die Nachsuche aufgenommen. Als das flüchtende Schwein zügig in Richtung der Waldstücke flüchtete, sei zur Erlösung des Tieres nur noch ein Schuss aus dem Fahrzeug in Frage gekommen. Alle anderen Tiere seien hingegen nicht aus dem Fahrzeug heraus erlegt worden.

Hieraufhin erließ das Landratsamt die oben genannten Maßnahmen mit der Begründung, dass der Antragssteller gegen die Grundsätze der Weidgerechtigkeit schwerwiegend verstoßen habe. Es sei nicht weidgerecht nach dem krank geschossenen Schwarzwild gesucht worden, um dieses zu erlegen und vor vermeidbaren Schmerzen zu schützen. Die Einlassung des Antragstellers müsse als Schutzbehauptung gewertet werden.

Der zugrunde gelegte Sachverhalt beruhe auf den polizeilichen Erkenntnissen zu allen beteiligten Personen, einschließlich den Zeugenaussagen, der Anzeige, dem Beweisvideo und der Anhörung der Beteiligten, woraus sich ein umfassendes Bild ergäbe. Zudem habe er mindestens einen Schuss aus dem Fahrzeug und damit einen Verstoß gegen das Bundesjagdgesetz selbst eingeräumt.

Daher besitze der Antragsteller nicht die für den Besitz des Jagdscheins erforderliche Zuverlässigkeit, da Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass er Waffen oder Munition missbräuchlich verwandt habe. So gehöre es zu den elementaren und selbstverständlichen Obliegenheiten eines Jägers, die Jagdwaffe erst zu laden, wenn mit einem bestimmungsgemäßen Gebrauch im Rahmen der Jagdausübung oder des Jagdschutzes unmittelbar zu rechnen sei. Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn sich die Jagdwaffe in einem Fahrzeug befinde. Ein solches Verhalten stelle vielmehr eine gravierende Sicherheitsgefährdung dar.

Schließlich sei auch das Schießen aus dem Fahrzeug selbst eine missbräuchliche Verwendung.

Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet.

Der Antragsteller erhob daraufhin Widerspruch mit dem Verweis auf die Bundesforstjagd, bei welcher das Wild durch Hunderudel gehetzt werde, was hinsichtlich des hierdurch verursachten Stresses der gejagten Tiere mit der Verfolgung aus dem Fahrzeug heraus vergleichbar sei. Ferner liege vor dem Hintergrund der derzeit grassierenden Schweinepest und dem damit zusammenhängenden Erfordernis der Jagd auf Wildschweine seine Tätigkeit als Jäger im öffentlichen Interesse.

Der Widerspruch blieb jedoch erfolglos.

Im Widerspruchsbescheid führt die Behörde ergänzend aus, dass die Schüsse aus dem fahrenden Fahrzeug heraus generell grob fahrlässig gewesen seien. Eine Waffe sei während der Fahrt zu entladen und erst unmittelbar vor der tatsächlichen Jagdausübung zu laden. Zudem könne bei der Fahrt über unebenes Gelände nicht sichergestellt werden, dass ein geeigneter Kugelfang die abgeschossenen Projektile aufnehme. Aus dem Bildmaterial ergebe sich, dass einige Schüsse fehlgegangen seien. Die Tatsache, dass ein anonymer Anzeigeerstatter den Vorfall habe beobachten können, ohne dabei von der Gruppe des Antragstellers bemerkt worden zu sein, weise außerdem darauf hin, dass sich diese nicht versichert habe, ob sich Personen im Wirkungsbereich der Waffen aufhielten. Zwar handle es sich um eine erstmalige Verfehlung des Antragstellers, so dass diese bei der Prognose der absoluten Unzuverlässigkeit besonders zu prüfen sei. Diesbezüglich sei jedoch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller eine Unbelehrbarkeit erkennen lasse und sein waffenrechtlich bedenkliches Verhalten bagatellisiere. Der Vergleich mit der Bundesforstjagd sei völlig verfehlt.

Das Verwaltungsgericht Leipzig bestätigt im Wesentlichen die Ausführungen der Behörde. Zur Begründung führt die Kammer aus:

Es sei zunächst zu berücksichtigen, dass im Bereich des Jagd- und Waffenrechts als besonderem Sicherheitsrecht nicht hinnehmbare Gefahren für Leib und Leben und damit für Rechtsgüter mit hohem Rang auftreten können, die die Berechtigung zum Gebrauch von Waffen stets mit sich bringt. Dies hat im Gefahrenabwehrrecht zur Folge, dass sich für die Anordnung der sofortigen Vollziehung oftmals keine anderen Gründe anführen lassen als diejenigen, die bereits für das ordnungsrechtliche Einschreiten maßgeblich waren (so auch VG Düsseldorf, Beschl. v. 18.11.2010 – 15 L 1536/10 -, juris).

Die Erklärung der Ungültigkeit und die Einziehung des Jagdscheins finden ihre Rechtsgrundlage in § 18 Satz 1 BJagdG. Danach ist die Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, in den Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, diesen für ungültig zu erklären und einzuziehen, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins begründen, nach dessen Erteilung eintreten oder der Behörde bekannt werden. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt, da der Antragsteller die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 2 BJagdG nicht besitze.

Unzuverlässig ist ein Jagdscheininhaber, wenn er künftig nicht die Gewähr dafür bietet, dass er die Jagd ordnungsgemäß ausüben wird.

Dabei kann die Unzuverlässigkeit insbesondere auf einer gefährlichen Neigung zu mangelnder Vorsicht (und damit der Untauglichkeit als Träger einer Schusswaffe) oder zu einer irgendwie gearteten Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, aber auch überhaupt auf charakterlichen, geistigen oder seelischen Defekten beruhen (Metzger, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand April 2018, § 17 BJagdG Rn. 3)

Bereits der vom Antragsteller eingeräumte Schuss aus dem fahrenden Fahrzeug rechtfertigt die Annahme, dass er auch zukünftig leichtfertig und damit nicht ordnungsgemäß mit Waffen oder Munition umgehen wird und daher als unzuverlässig anzusehen ist. Diese Prognose wird zum einen dadurch gestützt, dass der Antragsteller durch diese Verfehlung in mehrfacher Hinsicht gegen die ihm als Inhaber eines Jagd- und Waffenscheins auferlegten Sorgfaltspflichten verstoßen hat und sich die einzelnen Verstöße zudem als derart gravierend darstellen, dass sie die Einziehung des Jagdscheins als geboten und erforderlich erscheinen lassen.

Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass bereits das Führen einer geladenen Waffe außerhalb erlaubter Bereiche einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Sicherheitsobliegenheiten eines Jägers darstellt.

Hierunter fällt schon eine geladene Waffe auf dem Rücksitz eines Pkw (VG Minden, Urt. v. 23.6.2015 – 8 K 2615/14 -, juris), in jedem Fall auch das Führen einer schussbereiten Waffe im Kraftfahrzeug (BayVGH, Beschl. v. 17.4.2015 – 21 ZB 15.83 -), weshalb die Rechtsprechung hierin einen unvorsichtigen und unsachgemäßen Umgang mit Waffen oder Munition im Sinne des § 17 Abs. 3 Nr. 2 BJagdG sieht.

Des Weiteren tritt aber auch eine Gefährdung der Insassen ein, wenn der Waffeninhaber – wie hier – nicht auf den ordnungsgemäßen Umgang mit der Waffe achten kann, da er gleichzeitig als Fahrer mit dem Führen des Fahrzeugs beschäftigt ist. Wenn jedoch schon das bloße Vorhandensein einer geladenen Waffe einen unvorsichtigen bzw. unsachgemäßen Umgang darstellt, gilt dies erst recht für die Abgabe von Schüssen aus einem fahrenden Fahrzeug. Denn hierbei ist eine sichere Schussabgabe nicht möglich. Dementsprechend liegt bei einer solchen unkontrollierten Schussabgabe eine über den unvorsichtigen und unsachgemäßen Umgang hinausgehende leichtfertige Verwendung von Waffen und Munition im Sinne des § 17 Abs. 3 Nr. 1 BJagdG vor. Leichtfertig ist ein Handeln aus persönlicher grober Fahrlässigkeit, nämlich in hohem Maße unvorsichtig und eindeutige Sicherheitsregeln missachtend. Zudem werden Waffen oder Munition jedenfalls dann leichtfertig verwendet, wenn die sich aufdrängende Möglichkeit eines Jagdunfalls aus besonderem Leichtsinn oder besonderer Gleichgültigkeit außer Acht gelassen wird. Dies ist hier der Fall.

Zu den vorgenannten Erwägungen der Gefährdung der Fahrzeuginsassen tritt bei der Schussabgabe aus dem Fahrzeug die Gefährdung des Bereichs außerhalb des Kraftfahrzeuges hinzu. Dabei hängt es vom bloßen Zufall ab, ob hierdurch ein Jagdunfall eintritt. So kann selbst bei niedrigen Geschwindigkeiten durch kleinste Unebenheiten oder Lenkbewegungen das sichere Zielen beeinträchtigt werden.

Das vom Antragsteller geschilderte Verhalten, das zuvor krankgeschossene Wildschwein vor dem sicheren Verschwinden in ein Waldstück zu erlegen und diesem hierdurch ein qualvolles Verenden zu ersparen, wäre im konkreten Fall auch nicht dazu geeignet, einen sachgemäßen Umgang mit der Jagdwaffe im Hinblick auf das krankgeschossene Wildtier zu begründen. Denn der Antragsteller konnte nach den vorstehenden Erwägungen bei der Schussabgabe weder sicherstellen, dass er das anvisierte Tier tödlich trifft noch dass er keine anderen Tiere oder Menschen verletzt.

Zudem hat der Antragssteller gegen die Grundsätze der Weidgerechtigkeit schwerwiegend verstoßen. Eine diesen unbestimmten Rechtsbegriff ausfüllende Regel stellt das Verbot Wild aus Kraftfahrzeugen zu erlegen in § 19 Abs. 1 Nr. 11 BJagdG dar. Sinn und Zweck dieser Jagdbeschränkung ist es, dem Wild Chancen gegenüber den technischen Möglichkeiten des Jägers einzuräumen und die Naturnähe des richtigen Jagens zu betonen. Zwar erlaubt das Bundesjagdgesetz sogenannte „Pirschfahrten“, bei welchen durch das Jagdrevier gefahren und nach Wild Ausschau gehalten wird, bevor der Jäger aus dem Fahrzeug aussteigt, um das Tier zu erlegen. Dabei sind Schüsse aus dem Fahrzeug heraus allerdings strikt verboten.

Letztlich kann auch der vom Antragsteller vorgetragene Umstand, dass die Eindämmung der in Deutschland aufgetretenen Afrikanischen Schweinepest eine umfassende Jagd auf Wildschweine erforderlich mache und die Allgemeinheit daher auf seine Tätigkeit als Jäger angewiesen sei, nicht dazu führen, dass ihm als unzuverlässigem Jagdscheininhaber der weitere leichtfertige Umgang mit Waffen samt den damit einhergehenden Gefahren erlaubt wird. Zur Eindämmung der Schweinepest mag zwar eine groß angelegte Jagd zur Ausdünnung des Schwarzwildbestandes erforderlich sein, dies führt indes nicht dazu, dass Jäger sämtliche jagd- und waffenrechtlichen Bestimmungen samt des eigenen Schutzes sowie des anderer Personen aufgeben und diesem Ziel unterordnen können.


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