Das Kammergericht hatte einen Streit zweier Zivilkammern beim Landgericht Berlin zu entscheiden, ob eine allgemeine oder Sonderzuständigkeit nach Erbrecht gegeben war, § 72a Abs. 1 GVG. In seinem Beschluss vom 30.08.2021 führte das KG aus, dass eine gesetzliche Sonderzuständigkeit nach § 72a I Nr. 6 GVG für erbrechtliche Streitigkeiten nicht schon dann begründet ist, wenn ein Erbe von einem Gläubiger des Erblassers wegen Nachlassverbindlichkeiten in Anspruch genommen wird. Zumindest dann, wenn die Erbenstellung selbst nicht bestritten ist.
Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die minderjährige Alleinerbin ihres Vaters wurde von ihrem Großvater auf Rückzahlung eines dem Erblasser gewährten Darlehens in Anspruch genommen. Die allgemeine Zivilkammer 19 des Landgerichts Berlin erklärte sich für funktional unzuständig und gab die Sache an die für erbrechtliche Streitigkeiten zuständige Zivilkammer 53 mit der Begründung ab, es bestehe eine gesetzliche Sonderzuständigkeit nach § 72a Abs. 1 Nr. 6 GVG.
Die Zivilkammer 53 lehnte dies ab, da Gegenstand des Rechtsstreit ein Darlehensrückzahlungsanspruch sei und das Erbrecht der Beklagten nicht in Frage stehe.
Wer entscheidet über die interne Zuständigkeit?
Zunächst war zu klären, ob das Kammergericht gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als das zunächst höhere Gericht entscheiden kann.
Nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO müssen sich zunächst zwei verschiedene Gericht für unzuständig erklären. Zwar haben sich beide Kammern für unzuständig erklärt, dennoch betrifft dies nur ein Gericht. Das Kammergericht hat entschieden, dass die Vorschrift entsprechende Anwendung findet, denn es stritten sich vorliegend zwei Spruchkörper des gleichen Gerichts um ihre Zuständigkeit. Eine Entscheidung kann nicht durch Auslegung des Geschäftsverteilungsplans getroffen werden, sondern hängt von den gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen ab.
Die rechtskräftige Unzuständigkeitserklärung der beteiligten Spruchkörper lag vor, denn die Entscheidungen der beiden Kammern wurden den Parteien mitgeteilt, es handelte sich nicht nur um gerichtsinterne Vorgänge, sondern um Entscheidungen mit Außenwirkung.
Allgemeine oder Sonderzuständigkeit
Vorliegend sah das Kammergericht die allgemeine Zivilkammern als funktional zuständigen Spruchkörper an. Eine erbrechtliche Sonderzuständigkeit nach § 72a I Nr. 6 GVG war nicht einschlägig.
Zwar sollen nach Willen des Gesetzgebers von der gesetzlichen Sonderzuständigkeit nach Nr. 6 sämtliche zivilprozessuale Streitigkeiten über erbrechtliche Angelegenheiten erfasst werden, dennoch werde eine solche nicht schon dann begründet, wenn ein Erbe aufgrund einer Nachlassverbindlichkeit in Anspruch genommen wird. Dies würde andernfalls zu einem Widerspruch mit dem intendierten Spezialisierungsgedanken führen.
Vorliegend ging es um einen Rückzahlungsanspruch aus einem vom Kläger behaupteten Darlehen. Da sich jedenfalls nicht über die Erbenstellung gestritten wurde, konnte das Kammergericht den Rechtsstreit nicht als erbrechtlich qualifizieren. Der Tod des Darlehensnehmers sei dafür nicht von Bedeutung.
KG (2. Zivilsenat), Beschluss vom 30.08.2021 – Aktenzeichen 2 AR 38/21
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