I. Einleitung
II. Ablauf
Schritt 1: Voraussetzungen prüfen – wann ist ein BEM durchzuführen?Schritt 2: Die Einladung zum BEM – worüber ist der Arbeitnehmer zu unterrichten?
- Hinweis auf die Ziele des BEM
- Freiwilligkeit des BEM
- Teilnehmerkreis
- Art und Umfang der zu erhebenden und zu verwendenden Daten
- Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers
Schritt 3: Das BEM-Gespräch
Schritt 4: Maßnahmen finden – welche Maßnahmen sind möglich?
Schritt 5: Maßnahmen umsetzen
Schritt 6: Auswertung und Abschluss des BEM
III. Hinweise zum Datenschutz
- Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten nach der DSGVO
- Schutz vor unbefugter zufälliger Kenntnisnahme
- Löschung der Daten
IV. Beteiligung des Betriebsrats
V. Folgen eines unterlassenen BEM für den Kündigungsschutzprozess
I. Einleitung
Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist in § 167 Abs. 2 SGB IX geregelt und soll bei längerer Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers klären, ob es Möglichkeiten gibt, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.
Für die Durchführung eines BEM gibt es kein gesetzlich geregeltes Verfahren. § 167 Abs. 2 SGB IX legt insofern nur rechtliche Mindeststandards fest, die einzuhalten sind. Das BAG spricht daher von einem „ergebnisoffenen Suchprozess“ (BAG 22. März 2016, 1 ABR 14/14).
Grob untergliedert sich das BEM in zwei Phasen:
In der ersten Phase hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob die Voraussetzung für ein BEM vorliegen und den Arbeitnehmer hiervon zu unterrichten.
In der zweiten Phase hat der Arbeitgeber gemeinsam mit dem Arbeitnehmer und den sonstigen Beteiligten zu prüfen, ob zielführende Maßnahmen ergriffen werden können und diese dann entsprechend umzusetzen.
II. Ablauf
Schritt 1: Voraussetzungen prüfen – wann ist ein BEM durchzuführen?
Obwohl das BEM im SGB IX und damit in dem Buch „Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung“ geregelt ist, ist ein BEM grundsätzlich bei allen Arbeitnehmern durchzuführen. Die Pflicht zur Durchführung besteht zudem unabhängig von der Betriebsgröße oder der Rechtsform des Betriebes.
Gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX ist ein BEM durchzuführen, sobald ein Arbeitnehmer länger als sechs Wochen im Jahr arbeitsunfähig ist. Gemeint ist hierbei nicht das Kalenderjahr, sondern ein Zeitraum von 12 Monaten.
Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit entspricht dem des § 3 Abs. 1 EntgFG. Arbeitsunfähig ist der Arbeitnehmer danach, wenn er infolge einer Krankheit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung ohne Verschulden verhindert ist.
Entscheidend ist die Gesamtheit aller krankheitsbedingten Fehltage. Es kommt nicht darauf an, ob einzelne durchgehende Krankheitszeiten einen Zeitraum von sechs Wochen überschreiten, sondern häufige Kurzerkrankungen sind ebenfalls miteinzuberechnen. Die Krankheitsursache ist grundsätzlich unerheblich, sodass es keinen Unterschied macht, ob die Arbeitsunfähigkeit arbeitsbedingt ist oder nicht.
Liegen die obigen Voraussetzungen vor, so hat der Arbeitgeber die Pflicht dem Arbeitnehmer die Durchführung eines BEM anzubieten und so das Verfahren in Gang zu setzen.
Da es sich um eine freiwillige Maßnahme handelt, ist die Zustimmung des Arbeitnehmers zwingend erforderlich. Seine Zustimmung kann der Arbeitnehmer in jeder Phase des Verfahrens widerrufen.
Schritt 2: Einladung zum BEM – worüber ist der Arbeitnehmer zu unterrichten?
Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Einladung zu einem BEM sind relativ hoch, da der Arbeitnehmer anhand der Einladung entscheiden soll, ob er an dem BEM teilnehmen möchte oder nicht.
Die Einladung muss nach der Rechtsprechung folgende Punkte enthalten:
- Ziele des BEM
- Freiwilligkeit des BEM
- Möglichkeit, die in § 167 Abs. 2 genannten Stellen hinzuzuziehen
- Art und Umfang der zu erhebenden und zu verwendenden Daten
Bei Verstoß gegen die von der Rechtsprechung entwickelten Formalien liegt kein wirksames BEM vor (zu den Folgen unter Punkt V).
Auch wenn die Einladung grundsätzlich keiner bestimmten Form bedarf, so ist die Schriftform aufgrund einer späteren Beweisführung in einem Kündigungsschutzprozess empfehlenswert.
Hinweis auf die Ziele des BEM
Die Darstellung der Ziele des BEM muss inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX hinausgehen und darf sich auch nicht in der wörtlichen Wiedergabe des Gesetzestextes erschöpfen.
Der Arbeitnehmer muss vielmehr darüber aufgeklärt werden, dass mithilfe des BEM herausgefunden werden soll, wie seine Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann.
Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer also verdeutlichen, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dass dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er selbst Vorschläge einbringen kann (BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 Rn. 32).
Freiwilligkeit des BEM
Hierüber dürfen für den Arbeitnehmer keine Zweifel bestehen. Seine Zustimmung kann der Arbeitnehmer in jeder Phase des Verfahrens widerrufen, denn ein BEM an dem der Arbeitnehmer nicht aktiv mitwirkt, ist nur wenig erfolgversprechend (BAG, Beschl. v. 07.02. 2012 − 1 ABR 46/10, BAGE 140, 350 Rn. 22).
Teilnehmerkreis
Gemäß § 162 Abs. 2 SGB IX können mit Zustimmung des Arbeitnehmers die dort genannten Stellen, Ämter und Personen beteiligt werden.
Dies sind die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 176 SGB IX (Betriebsrat oder Personalrat) und gegebenenfalls die Schwerbehindertenvertetung bei schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Arbeitnehmern.
Insbesondere ist der Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass er seine Zustimmung zum BEM auch davon abhängig machen kann, dass der Betriebsrat nicht beteiligt wird (BAG, Beschl. v. 22.03.2016 – 1 ABR 14/14, NZA 2016, 1283 Rn. 30).
Zudem kann der Werks- oder Betriebsarzt miteinbezogen werden. Dies kann hilfreich sein, um zu klären, welche Gefahren für die Gesundheit vom Arbeitsplatz ausgehen und welche geeigneten Maßnahmen ergriffen werden können. Die Untersuchung des Arbeitnehmers beim Betriebsarzt ersetzt jedoch in keinem Fall ein BEM.
Erhält der betroffene Arbeitnehmer Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen, so sind die örtlichen Servicestellen miteinzubeziehen.
Bei schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Arbeitnehmern ist zudem das Integrationsamt miteinzubeziehen.
Außerdem hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit eine Vertrauensperson hinzuzuziehen.
Hinweis auf Datenerhebung und -verwendung
(Ausführlich zum Datenschutz unter Punkt III)
Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Daten von ihm erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden (BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 Rn. 32).
Bei den im Rahmen des BEM erhobenen und verarbeiteten Daten handelt es sich vor allem um Gesundheitsdaten des Arbeitnehmers, bei denen es sich um sehr sensible Daten handelt, die nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO besonders geschützt sind.
Zu deren Erhebung und Verwendung bedarf es einer Ermächtigungsgrundlage für den Arbeitgeber, die sich insbesondere aus einer Einwilligung des Arbeitnehmers ergibt.
Daher sollte mit der Einladung zum BEM gleichzeitig mit einem gesonderten Einwilligungssschreiben, die Einwilligung des Arbeitnehmers eingeholt werden. Hingewiesen werden sollte insbesondere auf die Erhebung und Verarbeitung der Personaldaten (Name, Geburtsdatum, Schwerbehinderung oder Gleichstellung), Beschäftigungsdaten, Fehlzeiten, Arbeitsunfälle, Gesundheitsdaten aus Attesten, Tätigkeitsdaten und Ablaufdaten zum BEM.
Naturgemäß wird sich erst während des BEM-Prozesses herausstellen, welche weiteren Daten benötigt werden, zu deren Erhebung und Verarbeitung dann ebenfalls die Einwilligung des Arbeitnehmers erforderlich ist.
Der Arbeitnehmer hat drei Möglichkeiten auf die Einladung zu BEM zu reagieren
Er kann sich mit der Durchführung eines BEM einverstanden erklären oder es ablehnen. Seine Zustimmung kann er zudem davon abhängig machen, dass der Betriebsrat beteiligt wird oder nicht beteiligt wird.
Lehnt der Arbeitnehmer die Durchführung eines BEM ab, so ist das BEM an dieser Stelle beendet.
Erhält der Arbeitgeber gar keine Reaktion, so kann er bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung, eine Frist zur Stellungnahme zur Durchführung eines BEM setzen und ihn gleichzeitig darauf hinweisen, dass die Möglichkeit einer Kündigung besteht. Schweigt der Arbeitnehmer hierauf weiterhin, so kann das Schweigen als Ablehnung gedeutet werden (BAG, Urt. v. 10.12.2009 – 2 AZR 400/08, NZA 2010, 398 Rn. 29).
Wichtig ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im nächsten Kalenderjahr gegebenenfalls erneut einladen muss, auch wenn der Arbeitnehmer ein BEM zunächst abgelehnt hat. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer ein BEM auch in dem darauffolgenden Jahr ablehnen wird, sollten die Voraussetzungen hierfür erneut eingetreten sein.
Stimmt der Arbeitnehmer einem BEM zu, folgt die zweite Phase.
Schritt 3: BEM-Gespräch
Da es sich bei einem BEM-Verfahren um kein formalisiertes Verfahren handelt, sondern vielmehr um einen rechtlich regulierten Verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozess, sind in § 167 SGB IX nur ein paar Vorgaben gesetzlich geregelt, die einzuhalten sind.
So sind die im § 167 Abs. 2 SGB IX genannten Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen, soweit sich der Arbeitnehmer mit deren Beteiligung einverstanden erklärt bzw. deren Beteiligung wünscht.
Schritt 4: Maßnahmen finden – welche Maßnahmen kommen in Betracht?
Die möglichen Maßnahmen können sehr unterschiedlich ausfallen. Da jeweils individuelle Lösungen gefunden werden sollen, macht das Gesetz hierfür keine Vorgaben.
In Betracht kommen z. B. die leidensgerechte Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes oder ein anderer Arbeitsplatz mit einer geänderten Tätigkeit oder eine stufenweise Wiedereingliederung des Arbeitnehmers.
Schritt 5: Maßnahmen umsetzen
Die beschlossenen Maßnahmen sind in einem weiteren Schritt umzusetzen und auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Hierzu ist der Arbeitgeber verpflichtetet.
Schritt 6: Auswertung und Abschluss des BEM
Schließlich sollte das durchgeführte BEM ausgewertet und dann vor allem abgeschlossen werden.
III. Hinweise und Datenschutz
Der Datenschutz spielt bei der Durchführung des BEM eine besonders wichtige Rolle.
Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich darüber zu informieren, welche Daten von ihm – wie – erhoben und wofür diese Daten verarbeitet werden. Die preisgegebenen Daten dürfen zu keinen anderen als den vom Arbeitnehmer genehmigten Zwecken verwendet werden.
Der Arbeitgeber muss klarstellen, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes BEM durchführen zu können.
Verweigert der Arbeitnehmer die Auskunft ist das BEM in der Regel sinnlos, da die Daten für die Durchführung eines BEM wichtig sind. Die Akzeptanz des BEM durch den Arbeitnehmer spielt daher eine extrem wichtige Rolle, woraus sich auch dessen Freiwilligkeit herleitet (BAG – 2 AZR 47/16, NZA 2017, 1605 Rn. 34).
Um diese Akzeptanz zu fördern, sollte der Arbeitnehmer zudem darauf hingewiesen werden, dass die Daten nicht zur Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung verwendet werden dürfen, da dem Arbeitnehmer durch das BEM keine Nachteile entstehen sollen.
Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten nach der DSGVO
Seit dem 25.05.2018 gilt die DSGVO in allen Mitgliedsländern der EU. Das BDSG nF ergänzt bzw. konkretisiert die DSGVO lediglich. Die Erhebung und Verarbeitung personenbezogenerer Daten im Rahmen des BEM-Prozesses richtet sich somit im Wesentlichen nach den Vorgaben der DSGVO. Die DSGVO regelt in Art. 4, Art. 6, Art. 7 und Art. 8 den Umgang mit den im Rahmen eines BEM relevanten Daten des Arbeitnehmers sowie die Einwilligung in deren Erhebung und Verarbeitung. Art. 4 DSGVO bestimmt hierbei die wichtigsten Begriffe.
Gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO handelt es sich bei personenbezogenen Daten um alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen.
Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 a) DSGVO bestimmt, dass für die Verarbeitung personenbezogener Daten grundsätzlich die Einwilligung des Arbeitnehmers erforderlich ist. Diese Einwilligung kann der Arbeitnehmer für einen oder mehrere Zwecke erteilen.
Gemäß Art. 4 Nr. 11 DSGVO ist eine Einwilligung eine freiwillige für einen bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist.
Die Schrift- oder Textform der Einwilligung ist danach nicht vorgesehen. Zu Beweiszwecken ist diese aber empfehlenswert. Bei den im Rahmen des BEM erhobenen und verarbeiteten Daten handelt es sich vor allem um Gesundheitsdaten des Arbeitnehmers. Diese sind nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO als eine besondere Kategorie personenbezogener Daten besonders geschützt.
Gemäß Art. 4 Nr. 15 DSGVO sind Gesundheitsdaten personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person, einschließlich der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen.
Nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist zur Erhebung und Verarbeitung dieser Daten eine besondere Ermächtigung erforderlich, die sich insbesondere aus einer Einwilligung des Arbeitnehmers ergeben kann (s.o.).
Schutz vor unbefugter zufälliger Kenntnisnahme
Der Arbeitnehmer hat aufgrund seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts den Anspruch, dass seine sensiblen Daten vor unbefugter zufälliger Kenntnisnahme geschützt werden. Die Weitergabe der Daten an Dritte darf daher nur nach vorheriger Zustimmung des Arbeitnehmers erfolgen.
Alle Beteiligten sind auf ihre Schweigepflicht und die Einhaltung des Datengeheimnisses hinzuweisen. Auch wenn die DSGVO das Datengeheimnis nicht ausdrücklich regelt (wie § 5 BDSG aF), so sind jedoch selbstverständlich sämtliche Beteiligte verpflichtet die personenbezogenen Daten vertraulich zu behandeln.
Zudem ist die BEM-Akte zum Schutz vor unbefugter Kenntnisnahme stets getrennt von der Personalakte aufzubewahren.
Löschung der Daten:
Die Löschung der Daten richtet sich nach Art. 5 Abs. 1 e), 12, 17, 18, 19 DSGVO. Art. 17 DSGVO regelt dabei das „Recht auf Vergessenwerden“ und bestimmt, wann die personenbezogenen Daten zu löschen sind.
IV. Die Beteiligung des Betriebsrats
Der Betriebsrat darf nur mit der Zustimmung des Arbeitnehmers beteiligt werden. Kollektivrechtlich kommt im Zusammenhang mit dem BEM die Beteiligung des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1, 6 und 7 BetrVG in Betracht.
V. Folgen eines unterlassenen BEM für den Kündigungsschutzprozess
Die Durchführung eines BEM ist keine formelle Voraussetzung für eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung. Da eine Kündigung nach dem ultima-ratio-Prinzip jedoch stets die letzte Möglichkeit sein muss, konkretisiert § 167 Abs. 2 SGB IX insofern den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das BEM dient folglich dazu herauszufinden, ob es ein milderes Mittel als eine Kündigung gibt.
Dies wirkt sich im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses wie folgt aus:
Wurde die Durchführung eines BEM pflichtwidrig unterlassen, so kann sich dies im Rahmen der Interessenabwägung nachteilig für den Arbeitgeber auswirken und dazu führen, dass sich die Kündigung als unverhältnismäßig und damit als unwirksam herausstellt. Die unterlassene Durchführung führt allerdings nicht automatisch dazu, dass eine Kündigung als unverhältnismäßig angesehen wird.
Denn der Arbeitgeber hat im Prozess die Möglichkeit darzulegen und zu beweisen, dass sich ein BEM als objektiv nutzlos erwiesen hätte (NZA 2015, 612 Rn. 50, NZA 2015, 1249 Rn. 32).
Von der objektiven Nutzlosigkeit ist auszugehen, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter keinen Umständen möglich gewesen wäre. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer unheilbar krank ist oder die Arbeitsfähigkeit auf nicht absehbare Zeit ausgeschlossen ist.
Hat der Arbeitgeber aber ein BEM ordnungsgemäß durchgeführt und fehlerfrei festgestellt, dass eine andere Beschäftigungsmöglichkeit nicht in Betracht kommt, so ist eine krankheitsbedingte Kündigung stets das letzte Mittel für den Arbeitgeber und eine krankheitsbedingte Kündigung verhältnismäßig.
Rechtsreferendarin Magdalena Steger
Quellen: MHdB ArbR/Kiel, Band 2: IndividualArbR II, 4. Auflage 2018, § 113 Rn. 30 ff.; MHdB ArbR/Zimmermann, Band 2: IndividualArbR II, 4. Auflage 2018, § 198 Rn. 83 ff.; Lunk, Stefan: Grundlagen des betrieblichen Eingliederungsmanagements, NJW 2019, 2349.