Datenschutz im Arbeitsrecht: Schadensersatz wegen unvollständiger Auskunft
Am 18.11.2021 hat sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Az. 10 Sa 443/21) mit einem Schadensersatzanspruch für zwei unvollständiger Auskünfte nach Art. 15 Datenschutzgrundverordnung auseinandergesetzt. Warum dieses Urteil die Bedeutung des Datenschutz unterstreicht und zugleich mögliche Haftungsrisiken für Arbeitgeber aufzeigt, soll im Folgenden dargestellt werden. Dafür werden kurz datenschutzrechtliche Grundlagen dargestellt, ehe auf die wesentlichen Punkte des Urteils und seine Folgen für die Praxis eingegangen wird.
I. Das Auskunftsrecht der Datenschutzgrundverordnung
Mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wurden eine Vielzahl an Rechten und Pflichten geschaffen. Zentral war bei der DSGVO die Transparenz der Datenverarbeitung. Für eine betroffene Person bedeutete dies unter anderem, dass sie ein Auskunftsrecht erhält, um sich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten bewusst zu sein und die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung überprüfen zu können. Dieses Auskunftsrecht ist nun in Art. 15 DSGVO geregelt. Der Inhalt dieser Auskunft unterteilt sich nach dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 DSGVO grob in zwei Schritte:
Zunächst muss beantwortet werden, ob personenbezogene Daten über die betroffene Person verarbeitet werden.
Wenn Daten verarbeitet werden ist über diese und die in Art. 15 Abs. 1 DSGVO aufgelistete Informationen Auskunft zu erteilen.
Zugleich beinhaltet die DSGVO mit Art. 82 eine eigene Schadensersatznorm, wonach bei Verstößen gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden zu ersetzen ist.
II. Der Fall: Die unvollständige Auskunft
Die Erteilung einer Auskunft nach Art. 15 DSGVO kann in der Praxis problematisch werden. Dabei ist zunächst an den Umfang zu denken. Gerade in Arbeitsverhältnissen kann über mehrere Jahre hinweg eine große Menge an personenbezogenen Daten gespeichert werden. In einer solchen Situation eine ordnungsgemäße Auskunft zu erteilen, kann sich dann als schwierig erweisen.
Doch auch in „übersichtlichen“ Situationen kann eine Auskunft schnell nicht mehr den Vorgaben der DSGVO entsprechen. Warum gerade die weiteren Informationen des Art. 15 DSGVO nicht vergessen werden sollten und wie schnell eine unvollständige Auskunft eine überraschende Summe Geld kosten kann, zeigt das Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 18.11.2021 (Az. 10 Sa 443/21)
1. Was war geschehen?
Zwischen den Parteien bestand ein Arbeitsverhältnis. Im Rahmen des Arbeitsverhältnis sollte der Kläger nach Anhörung und Zustimmung des Betriebsrat versetzt werden. Außerdem erhielt er wegen eines Vorfalls eine Abmahnung. Der Kläger wehrte sich gegen Versetzung und Abmahnung und verlangte nach Art. 15 DSGVO Auskunft. Dabei wollte er hinsichtlich der Versetzung Auskunft über die Betriebsratsanhörung nebst Zustimmung, während er hinsichtlich der Abmahnung Auskunft über alle Daten verlangte.
Die Beklagte übergab dem Kläger daraufhin eine Kopie der Anhörung und Zustimmung. Zugleich äußerte sie sich inhaltlich zur Abmahnung und übergab eine in der Abmahnung berücksichtigte Stellungnahme zum abgemahnten Geschehen.
Der Kläger meinte nun an, dass sein Auskunftsanspruch nicht erfüllt bzw. unvollständig sei und ihm ein Schmerzensgeld zustünde.
2. Das Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg sprach dem Kläger in zweiter Instanz einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO in Höhe von 2.000 Euro zu. Dabei bemaß es jede unvollständige Auskunft mit 1.000 Euro.
Hierbei ging das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg davon aus, dass über beide Sachverhalte nur unzureichend Auskunft erteilt wurde. Dabei kam es nicht darauf an, dass die Beklagte große Mengen an Daten über den Kläger verarbeitete, da die Auskunft hier auf zwei Sachverhalte begrenzt war.
Zugleich stellte das Landesarbeitsgericht fest, dass beide Auskünfte nicht dem Umfang des Art. 15 DSGVO entsprachen. So waren bereits für die Betriebsratsanhörung nebst Zustimmung durch die Dokumente nicht alle weiteren Informationen aus Art. 15 DSGVO erteilt. Das Gleiche galt für die Abmahnung, da in beiden Fällen z.B.. nicht auf das Bestehen eines Beschwerderechts bei der Aufsichtsbehörde hingewiesen wurde.
Dies führte auch bei dem Kläger zu einem Schaden, da er hinsichtlich seiner Daten einen Kontrollverlust erlitt. Das Überschreiten einer Erheblichkeitsschwelle bedürfe es nach dem Landesarbeitsgericht nämlich gerade für die Feststellung eines Schadens nicht.
Hinsichtlich der Schadenshöhe führte das Gericht dann aus, dass der Schadensersatzanspruch grundsätzlich eine Abschreckungswirkung haben soll. Zudem soll die betroffene Person einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten.
Konkret sei in diesem Fall zu berücksichtigen, dass die Auskunft für die Beklagte offensichtlich unvollständig war und sie diese im weiteren Prozessverlauf nicht vervollständigte. Darüber hinaus hatte der Kläger auch keine umfassende Kenntnis die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch die Beklagte in zwei für ihn nachteiligen Sachverhalten.
III. Auswirkungen auf die Praxis
Das Urteil zeigt zunächst, dass ein noch so geringer Verstoß gegen Art. 15 DSGVO einen Schadensersatzanspruch begründen kann. Darüber hinaus stellt es aber auch klar, dass die fehlende umfassende Kenntnis über die Verarbeitung der eigenen personenbezogenen Daten bei nachteiligen Sachverhalten mit einem Schmerzensgeld von je 1.000 Euro pro Auskunft bemessen werden kann. Aus diesem Urteil ergeben sich nun unterschiedliche Konsequenzen.
Für Arbeitnehmer bedeutet das Urteil eine Stärkung ihrer Position. Soweit ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber Auskunft verlangt und dieser die Auskunft nicht ausreichend oder gar nicht erteilt, kann ein Schadensersatzanspruch bestehen. Dabei wird eine fehlende Kenntnis über nachteilige Sachverhalte in entsprechenden Fällen (bspw. Abmahnungen) relativ schnell gegeben und beweisbar sein. Dies erleichtert Arbeitnehmern die Geltendmachung ihres Anspruchs.
Arbeitgeber sollten hingegen das Urteil als Anlass nehmen sich intensiv mit der Auskunftserteilung auseinander zu setzen und ein Auskunftsbegehren nicht einfach abzutun bzw. nur unvollständig zu beantworten. Gerade wenn in einem Arbeitsverhältnisse „nachteilige Sachverhalte“ bestehen, kann ein Auskunftsverlangen nach Art. 15 DSGVO schnell erfolgen. Einem Arbeitnehmer dann keine vollständige Auskunft zu erteilen birgt ein großes Haftungsrisiko.
IV. Fazit
Das Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zeigt einerseits die Bedeutung der DSGVO und demonstriert zugleich die Folgen eines Verstoßes gegen die DSGVO. Dabei tragen insbesondere Arbeitgeber ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko, während die Arbeitnehmerposition gestärkt worden ist. Zusammenfassend sollte das Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg aber auf jeden Fall als Anlass genommen werden sich mit dem Datenschutz und der Auskunft nach Art. 15 DSGVO zu beschäftigen.
Soweit ein solches Auskunftsverlangen an Sie gerichtet wurde oder Sie selber Auskunft über Ihre Daten wünschen, beraten wir Sie gerne!