In der Entscheidung 3 M 13/23 befasste sich das OVG Magdeburg mit der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Mitglieds einer Partei, die von der Landesverfassungsschutzbehörde als Verdachtsfall eingestuft wurde. Es stellte heraus, dass die Einstufung der Partei allein gerade nicht zur Erfüllung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG genüge und verneinte die Frage der Unzuverlässigkeit.

Was war geschehen?

Der Antragssteller ist Mitglied der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), des AfD-Kreisvorstands sowie der AfD-Fraktion im Stadtrat in Sachsen-Anhalt. Die dortige Landesverfassungsschutzbehörde hatte den AfD-Landesverband als sogenannten Verdachtsfall eingeordnet. Der Antragssteller war im Besitz mehrerer Waffen und Waffenbesitzkarten. Mit Bescheid vom 08. August 2022 widerrief die zuständige Behörde die waffenrechtliche Erlaubnis und ordnete an, die Waffen nebst Munition einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und die Waffenbesitzkarten zurückzugeben. Die Behörde begründete ihre Entscheidung mit der Unzuverlässigkeit des Antragstellers. Soweit der Bescheid nicht schon gesetzlich sofort vollziehbar war, wurde die sofortige Vollziehbarkeit von der Behörde angeordnet.

Der Antragssteller gab im September 2022 Waffen sowie Waffenbesitzkarten ab. Er legte Widerspruch gegen den Bescheid vom 08. August 2022 ein. Außerdem legte er beim VG Magdeburg einen Antrag nach § 80 V VwGO ein mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anordnen bzw. wiederherstellen zu lassen. Hinsichtlich des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis bekam der Antragssteller recht. Das VG Magdeburg verneinte in seiner Entscheidung VG 1 B 212/22 MD vom 28. Februar 2023 eine Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG und ordnete die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen diese Anordnung an. Hinsichtlich der restlichen Anordnungen der Behörde, verwarf das VG Magdeburg den Antrag als unzulässig mangels Rechtsschutzbedürfnis.
Die Behörde als Antragsgegnerin reichte daraufhin Beschwerde ein.

 

Was entschied das Gericht?

 

Das OVG Magdeburg bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Beschwerde zurück.

Zur Zulässigkeit

Die Beschwerde sei zwar zulässig, insbesondere habe sie sich, anders als vom Antragssteller behauptet, mit den wesentlichen Inhalten der erstinstanzlichen Entscheidung befasst. In der Sache habe die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

Zur Begründetheit

So wie schon die Vorinstanz, sah das OVG Magdeburg den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis als offensichtlich rechtswidrig an. Eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit liege nicht vor. Das Gericht stellt zunächst klar, dass der Überzeugungsmaßstab für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG nicht aus dem Verfassungsrecht, sondern allein aus dem Waffenrecht folgt. Fraglich sei im vorliegenden Fall welcher Grad der Überzeugung verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen müsste. Verfassungsschutzbehörden würden Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen in drei Kategorien einteilen: behördeninterner Prüffall, Verdachts- und Beobachtungfall. Maßgebend für die Einteilung sei das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte. Nach der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt würden Gruppierungen als Beobachtungsfall eingestuft, wenn genügend Anhaltspunkte vorliegen, die in einer Gesamtschau ergeben, dass diese Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolge. Bei einem Verdachtsfall hingegen lägen eben noch nicht ausreichend Anhaltspunkte dafür vor, dass die Gruppierung gesichert verfassungsfeindliche Ziele verfolge. Beobachtungsfälle würden im Gegensatz zu bloßen Verdachtsfällen auch im Verfassungsschutzbericht des Landes erwähnt werden.
Das Gericht stellt fest, dass ein bloßer Verdachtsfall nicht ausreicht um verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG anzunehmen.

Verhältnis von Waffenbehörde und Verfassungsschutzbehörde

Nichts anderes würde sich aus § 5 Abs. 5 Nr. 4 WaffG ergeben. Nach dieser Vorschrift müsse die zuständige Behörde bei der zuständigen Verfassungsschutz Behörde Informationen darüber einholen, ob Bedenken gegen die Zuverlässigkeit vorlägen. Diese Vorschrift sei jedoch eine reine Verfahrensregelung. Sie stelle keine materiell-rechtlichen Regelungen zu den Anforderungen an die Regelunzuverlässigkeit. Dies reiche nicht aus, um den Überzeugungsmaßstab zu berühren. Im Übrigen handle es sich bei der Entscheidung der Waffenbehörde um eine eigenständige Einzelfallsprüfung hinsichtlich der Gefahrenprognose. Die Waffenbehörde sei nicht an die Einschätzung der Verfassungsschutzbehörde gebunden.

Auslegung nach dem Wortlaut

Bereits aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG ergäbe sich, dass das Verfolgen von Bestrebungen im Sinne der Vorschrift feststehen müsse. Der tatsachenbegründete Verdacht beziehe sich allein auf die Mitgliedschaft in einer Vereinigung. Jedoch nicht darauf, dass diese Vereinigung verfassungsfeindliche Ziele verfolge. Der, der Norm vorangestellte tatsachenbegründende Verdacht berühre den nachgehenden Relativsatz nicht.

Auslegung nach der Historie

Auch die Gesetzeshistorie stütze die vorgenannte Auslegung der Norm. Um dies zu verdeutlichen, zitiert das Gericht die beiden Vorgängerfassungen. Der Ansicht der Antragsgegnerin, aus dem Wortlaut ergebe sich nicht, dass eine Vereinigung gesichert verfassungsfeindliche Ziele verfolgen müsse, widerspricht das Gericht. Schon in der Vorgängerfassung des Paragrafen habe sich der tatsachenbegründende Verdacht auf die aktive individuelle Betätigung der betroffenen Person als Einzelperson oder im Kollektiv bezogen, nicht auf die verfassungsfeindliche Betätigung der Vereinigung als Kollektiv. Die bloße Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die verfassungsfeindliche Ziele verfolge, habe schon zu der Fassung nicht ausgereicht um eine Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG 2017 zu begründen. Zwar ließ sich daraus eine Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG 2017 begründen, jedoch kam es auch hier darauf an, ob die Vereinigung gesichert verfassungsfeindliche Ziele verfolgte. Ob die Vereinigung bereits verboten war oder nicht, sei dagegen unbeachtlich gewesen.

Gesetzesbegründung

Nichts anderes ergäbe sich aus den Gesetzgebungsmaterialen zum 3. WaffRÄndG. Das Gericht zitiert sodann aus der Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG. Eine Regelungslücke sollte mit der Neuregelung geschlossen werden. Anders als vorher begründet nun auch die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit. Dies sei sachgerecht, da die Mitgliedschaft in solch einer Vereinigung die Vermutung nahe läge, dass sich die einzelne Person mit den verfassungsfeindlichen Zielen identifiziere. Der Begriff „Vereinigung“ solle als Oberbegriff dienen und unter anderem auch Parteien im Sinne des Parteiengesetzes einschließen. Das Gericht führt aus, dass sich auch aus dem Wortlaut der Begründung ableiten lässt, dass eine Vereinigung gesichert verfassungsfeindliche Ziele verfolgen muss. Hätte der Gesetzgeber den Überzeugungsmaßstab heruntersetzen wollen, so hätte er weitere Ausführungen dazu gemacht. Soweit die Antragsgegnerin ausführe, der Gesetzgeber habe verhindern wollen, dass sich Vereinigungen, welche sich unterhalb der Schwelle des Parteien- und Vereinigungsverbots befinden, bewaffnen, so gäbe es für solch eine Annahme keine Anhaltspunkte.

Schutzzweck des Waffengesetzes

Zwar sei anzuerkennen, dass das Waffenrecht in der Vergangenheit immer weiter verschärft wurde. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass Regelungen am Wortlaut oder der Gesetzesbegründung vorbei ausgelegt würden. Der Gesetzgeber habe bisher weder im Gesetz selbst noch in der Gesetzesbegründung erkennen lassen, dass eine Herabsetzung des Verdachtsgrades gewollt sei.

Sonstige Erwägungen des Gerichts

Die Betrachtung des Gerichts führe auch nicht zu einem Wertungswiderspruch zu den übrigen Tatbeständen des § 5 Abs. 2 WaffG. Die abgestufte Systematik der einzelnen Tatbestände im § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ergäbe ein geschlossenes Regelungsgefüge.
Auch das Argument der Antragsgegnerin, bei größeren Vereinigungen, wie der AfD, sei gerade der Nachweis über das Verfolgen verfassungsfeindlicher Ziele, eine große Schwierigkeit, lässt das Gericht nicht durchgreifen. Eine erschwerte Beweisführung führe nicht dazu, dass die Waffenbehörde rechtliche Schlüsse ziehen dürfe, die in der jeweiligen Norm gar nicht angelegt seien.

Was lässt sich daraus schließen?

Immer wieder sind die AfD und die Frage nach dem Umgang mit der Partei Thema gesellschaftlicher und medialer Diskurse. Im vorliegenden Fall stellt das OVG Magdeburg klar, dass Entscheidungen zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit allein nach Waffenrecht, und nicht nach Verfassungsschutzgesetzen, zu treffen sind. Die Mitgliedschaft in einer Partei, die von der Landesverfassungsschutzbehörde als „Verdachtsfall“ eingestuft wurde, reicht – so das Gerichht – nicht aus um die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG zu begründen. Hierfür muss ein höherer Verdachtsgrad vorliegen. Jedenfalls nach aktuellem Stand. Auch das betont das Gericht im Tenor. Die weitere Entwicklung des Waffenrechts bleibt mit Spannung abzuwarten.


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