In der Entscheidung 10 Sa 867/21 befasste sich die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg am 07.10.2021 mit der Rechtmäßigkeit einer Kündigung infolge von Verstößen gegen Corona-Schutzmaßnahmen.

Worum ging es?

Der Kläger war seit 2014 beim beklagten Land an unterschiedlichen Schulen als Lehrer beschäftigt. Im August 2020 schrieb er der Elternvertreterin der Grundschule, an der er zu diesem Zeitpunkt beschäftigt war, eine E-Mail. In dieser äußerte er sich gegen die Maskenpflicht an Grundschulen. Sie sei Nötigung, Kindesmissbrauch und vorsätzliche Körperverletzung. Er habe Strafanzeige gegen die Bildungsministerin Brandenburg gestellt. Im Anhang der E-Mail befanden sich vorformulierte Schreiben, die die Eltern unterschreiben sollten. Demnach sollte die Schule die Haftung übernehmen, falls es bei Schülern zu gesundheitlichen Problem auf Grund des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes kommt.

Nachdem die Schulleitung den zuständigen Schulrat über diese E-Mail informiert hatte, fand ein Gespräch mit dem Kläger statt, bei welchem ihm vorgeworfen wurde nicht den Dienstweg eingehalten zu haben. Im September 2020 fand ein zweiter Gespräch mit dem Kläger statt. Ihm wurde vorgeschlagen, sich gegenüber der Elternvertreterin von der E-Mail zu distanzieren. Er würde in dem Fall nur eine Abmahnung erhalten. Andernfalls würde geprüft werden, ob eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung rechtmäßig wäre. Daraufhin schrieb der Kläger eine E-Mail an die Leiterin des Rechtsamtes, die Elternvertreterin, die Schulleitung und alle Lehrkräfte der Grundschule, in der er betonte, dass er um das Wohl der Kinder besorgt sei, jedoch an seiner Auffassung, Masken seien gesundheitsgefährdend, festhielt. Er zog dabei Vergleiche zum Dritten Reich, der DDR und Galileo Galilei.

In der Schule sowie zum zweiten Gespräch erschien der Kläger, ohne einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Auf Nachfrage gab er zunächst an, eine ärztliche Befreiung zu haben, diese jedoch nicht vorzeigen zu wollen. Im Anhang der E-Mail vom September 2020 befand sich dann ein Attest, ausgestellt von einem Arztes mit Sitz in Österreich. Demnach sollte der Kläger aus gesundheitlichen Gründen vom Tragen des Mund-Nasen-Schutzes befreit werden.

Am 17. September 2020 kündigte das beklagte Land mit Zustimmung des Personalrates dem Kläger zunächst außerordentlich und fristlos sowie ordentlich und fristgerecht. Als Kündigungsgrund gab das beklagte Land die Weigerung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ohne hinreichendes ärztliches Attest sowie die E-Mails des Klägers an. Die Äußerungen seien mit seiner Dienstpflicht nicht vereinbar.

Entscheidung in erster Instanz

Dagegen klagte der Kläger beim zuständigen Arbeitsgericht und bekam in erster Instanz Recht. Das Arbeitsverhältnis wurde jedoch gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. Das Arbeitsgericht war davon ausgegangen, dass der Kündigung hätte eine Abmahnung vorgehen müssen. Dem Kläger sei nicht ausreichend verdeutlicht worden, dass die Weigerung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes einen Kündigungsgrund darstellen kann.

Beide Seiten gingen in Berufung. Das Beklagte Land führte aus, dass durch das gesamte Verhalten des Klägers das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört sei. Aus diesem Grund sei keine Abmahnung notwendig gewesen. Der Kläger führte hingegen an, er habe seine Meinung kundgetan. Dies sei sogar durch Art. 5 Abs. 1 GG grundrechtliche geschützt. Das beklagte Land wolle ihn nun „loswerden“, weil er anders denke.

Was hat das Landesarbeitsgericht entschieden?

Das Gericht gab dem beklagten Land Recht. Der Kläger sei weder als kritischer Bürger verfolgt, noch sei er in seiner Meinungsfreiheit beschnitten worden. Jedoch habe der Kläger die Meinungsäußerungsfreiheit bereits in der ersten E-Mail vom August 2020 überschritten, indem er die Maskenpflicht als Körperverletzung und Kindesmissbrauch dargestellt hat und die Eltern aufgefordert hat, vorformulierte Haftungsfragen an die Schule zu stellen. Dies stelle eine schwerwiegende Einmischung in den Schulbetrieb und schließlich eine Pflichtverletzung dar.

Spätestens jedoch mit der zweiten E-Mail vom September 2020 habe der Kläger das Vertrauensverhältnis so maßgebend beeinträchtigt, dass eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt gewesen sei.

Zu den Grundsetzen der Meinungsfreiheit

Zwar sei die Meinungsfreiheit ein fundamental wichtiges Grundrecht, jedoch habe auch sie Schranken. Solche Schranken fänden sich etwa in den §§ 185-187 StGB, die Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung regeln. Sei einer dieser Schranken von der Meinungsäußerung betroffen, so habe eine Abwägung zwischen der Erheblichkeit der Ehrverletzung und der Meinungsäußerung statt zu finden. Dabei sei die fundamentale Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Demokratie zu beachten. Nichtdestotrotz träte die Meinungsfreiheit hinter dem Ehrschutz zurück, wenn sich die Äußerung als Schmähung oder Formalbeleidigung erweise.

Zum konkreten Fall

 

Das Gericht stellte fest, dass es dem Kläger in der E-Mail vom September 2020 gerade um Diffamierung der Elternsprecherin ging. Der Kläger habe außerdem gezeigt, er habe keine Einsicht „über das Ziel hinausgeschossen zu sein“. Nach dieser E-Mail hätte das beklagte Land nicht damit rechnen müssen, dass der Kläger sein Verhalten nach einer Abmahnung ändere. Vielmehr habe der Kläger in der E-Mail explizit erklärt, dass dieses Verhalten im Einklang mit seinem Gewissen stünde.

Auch die vom Gericht durchgeführte Interessensabwägung fiel zugunsten des beklagten Landes aus. Bei einer Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Klägers sei eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt gewesen.

Die Weigerung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes als Pflichtverstoß

Auch in der Weigerung einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, sah das Gericht einen Pflichtverstoß. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes an Grundschulen sei durch Verordnung vorgeschrieben gewesen. Habe der Kläger das als falsch angesehen, so hätte er den Verwaltungsrechtsweg ergreifen und gegen die Verordnung vorgehen sollen. Das vom Kläger vorgelegte Attest habe keine wirksame Befreiung dargestellt, da es zu unkonkret gewesen sei. Es fehlten genaue Angaben zum Grund der Befreiung. Außerdem stammt das Attest von einem Arzt, dessen Praxis sich mehrere 100 km weit weg befände. Der Kläger sei am Tag der Ausstellung jedoch in der Schule gewesen. Dies mache eine Untersuchung des Klägers unwahrscheinlich.

Was ergibt sich daraus?

Zum wiederholten Male hat sich ein Gericht mit der Meinungsäußerungsfreiheit und ihren Grenzen auseinandergesetzt und hervorgehoben, was in der Rechtsprechung gilt: Art 5 Abs. 1 GG ist ein konstituierendes Grundrecht. Er ist herausragend wichtig in einer demokratischen Gesellschaft. Trotzdem hat auch die Meinungsäußerungsfreiheit Schranken, auch wenn diese eng sind und eine genaue Abwägung der betroffenen Rechtsgüter stattfinden muss. Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit liegen dort, wo Schmähkritik und Formalbeleidigungen beginnen.

Im vorliegenden Fall wird außerdem aufgezeigt, dass eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtmäßig sein kann. Nämlich dann, wenn bei Gesamtbetrachtung des Verhaltens eines Arbeitnehmers nicht davon ausgegangen werden kann, dass er sein Verhalten auf Grund der Abmahnung ändert.

 


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