Mit seiner Entscheidung vom 30.11.2021 (Az: 9 AZR 225/21) befand das Bundesarbeitsgericht, dass Arbeitnehmern gesetzlich weniger Jahresurlaub zustehe, sofern sie in dem Jahr infolge von Kurzarbeit nicht durchgehend arbeiten konnten.

 

Was war geschehen?

Die klagende Arbeitnehmerin war als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten bei dem Beklagten tätig. Laut Arbeitsvertrag standen ihr bei einer Sechstagewoche Urlaub von 24 Werktagen zu. Da sie vereinbarungsgemäß nur eine Dreitagewoche hatte, entsprach das einem Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen im Jahr. Als ihr Arbeitgeber im Jahr 2020 aufgrund der Coronapandemie nach Absprache mit der Arbeitnehmerin die Kurzarbeit einführte, wurde sie in den Monaten Juni, Juli sowie Oktober von der Arbeitspflicht durchgängig befreit (sog. „Kurzarbeit Null“) und arbeitete in den Monaten November und Dezember nur an fünf Tagen. Infolgedessen sah sich der Arbeitgeber dazu veranlasst, den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin neu zu berechnen und gewährte ihr für das besagte Jahr nur 11,5 Urlaubstage. Er ging somit davon aus, dass die Befreiung von der Arbeitspflicht auch den anteiligen Urlaubsanspruch für diesen konkreten Zeitraum entfielen ließe.

Hiergegen wendete sich die Arbeitnehmerin mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung, dass ihr weiterhin ein Anspruch auf ungekürztem Urlaub zustehe.

 

Kurzarbeit Null gleichzusetzen mit Freizeit?

 

Würde man der Begründung des Arbeitgebers folgen, hieße das, dass die Kurzarbeit Null nicht wie Arbeitszeit, sondern wie Freizeit zu behandeln wäre. Der gesetzliche Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG setzt jedoch das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Da dieses für den Zeitraum, in dem die Kurzarbeit Null angeordnet wurde, wegzudenken wäre, müsste der gesetzliche Jahresurlaub neu berechnet bzw. gemindert werden.

Hiergegen trug die Klägerin vor, dass die Befreiung von der Arbeitspflicht aus konjunkturellen Gründen nicht mit Freizeit, sondern mit einer weiter bestehenden Arbeitspflicht gleichzusetzen sei. Eine der Erholung dienenden Freizeit hätte nicht vorgelegen. Der Arbeitgeber hätte nämlich jederzeit den Betrieb wieder aufnehmen können, womit die Zeit während der Kurzarbeit Null nicht frei planbar gewesen sei; dies sei aber Zweck des gesetzlichen Urlaubsanspruchs. Auch haben in dieser Zeit etwaige Meldepflichten gegenüber den Ämtern bestanden.
Schließlich sei sie imstande gewesen, die vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen, womit die Einführung der Kurzarbeit in die Risikosphäre des Arbeitgebers hätte fallen müssen. Die Neuberechnung des Urlaubs sei daher nicht in Betracht gekommen.

 

Die Entscheidung des BAG mit Verweis auf den EuGH

 

Das Bundesarbeitsgericht folgte der Argumentation der Klägerin nicht und sprach sich für eine Neuberechnung des Urlaubs im Sinne des § 3 BUrlG aus.

Da das deutsche Recht keine spezielle Regelung für diesen Fall aufweist, nahm das Gericht eine Auslegung des § 3 BUrlG nach seinem Sinn und Zweck vor. Die Urlaubsminderung sei deshalb gerechtfertigt, weil das Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers in der arbeitsfreien Zeit geringer ist als ohne Kurzarbeit. Dem Arbeitnehmer biete sich an den aufgrund von Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitstagen die tatsächliche Möglichkeit, die Zeit frei zu gestalten und seinen persönlichen Interessen zu widmen. Zwar bestehen etwaige Meldepflichten gegenüber den Ämtern, allerdings sei dieser Umstand nicht mit einer Arbeitsleistung zu vergleichen, da sie nicht im Interesse des Arbeitgebers erfolge.

Mit diesem Ergebnis verweist das BAG auf die Rechtsprechung des Europäischen Ge-richtshofs (EuGH) zu Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG und stellt einen Einklang her. In seiner entsprechenden Entscheidung vom 13. Dezember 2018 (- C-385/17 – [Hein] Rn. 28) befand der EuGH, dass Kurzarbeitszeiten während eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses bei der Mindesturlaubsberechnung keine Berücksichtigung finden, sofern der Arbeitnehmer in dieser Zeit keine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht hat.

Fazit:

Arbeitgeber durften mithin bei ausgefallenen Arbeitstagen wegen Einführung von Kurzarbeit den Mindesturlaub der Arbeitnehmer für das betroffenen Jahr neu berechnen bzw. mindern. Dabei kommt es immer auf den konkreten Zeitraum an. Für jeden vollen Monat darf der Arbeitgeber 1/12 des Urlaubanspruch kürzen. In der vorliegenden Entscheidung führte das BAG noch aus, dass der Arbeitgeber nach diesem Grundsatz den Urlaub der Klägerin sogar um insgesamt 3,5 Tage kürzen durfte.


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