Ärztliche Aufklärungsformulare unterliegen nach einer aktuellen Entscheidung des BGH vom 02.9.2021 gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nur einer eingeschränkten AGB-Kontrolle.


Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:


Der Beklagte ist ein Berufsverband für Augenärzte, der seinen Mitgliedern die Verwendung eines Patienteninformationsblatts zur Aufklärung über Glaukome empfohlen hatte. Konkret ging es in dem Formular darum, Patienten darüber aufzuklären, dass ab einem Alter von 40 Jahren die Gefahr für eine symptomlose Glaukombildung (Grüner Star) besteht und daher eine Früherkennungsuntersuchung, die jedoch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird, empfehlenswert wäre.

Das Informationsblatt war wie folgt gestaltet:

Ich habe die Patienteninformation zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom) gelesen und wurde darüber aufgeklärt, dass trotz des Fehlens typischer Beschwerden eine Früherkennungsuntersuchung ärztlich geboten ist.“ Der Patient kann daraufhin wählen, ob er ankreuzt „Ich wünsche eine Untersuchung zur Früherkennung des Grünen Stars (Glaukom)“ oder „Ich wünsche zurzeit keine Glaukom-Früherkennungsuntersuchung“.


Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, machte gegen den Beklagten einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UKlaG geltend. Er meinte, bei der Klausel handele es sich um eine nach § 309 Nr. 12 Halbsatz 1 Buchst. b BGB unzulässige Tatsachenbestätigung. Auch werde der Patient psychologisch unter Druck gesetzt, da er sich einer ärztlichen Empfehlung offen widersetzen müsse.

Was regelt nun § 309 Nr. 12 BGB?

§ 309 Nr. 12 Halbsatz 1 Buchst. b BGB sieht vor, dass eine Bestimmung, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ist.

Was sagte der BGH?

Der BGH schloss sich der Vorinstanz an und entschied, dass die angegriffene Klausel weder gemäß § 307 Abs. 1 und 2 noch nach § 308 oder § 309 BGB unwirksam ist. Sie weiche auch nicht von Rechtsvorschriften ab, so dass eine Inhaltskontrolle nach diesen Bestimmungen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht stattfindet.

Fazit im Detail:

Das verwendete Patientenaufklärungsformular stelle eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar, so der BGH. Für die ärztliche Aufklärung, so BGH weiter, würden eigenständige Regeln gelten, die zudem die Beweislast und eine zulässige Verschiebung zum Patienten hin umfassen.

Vorliegend handele es sich gem. § 630 c Abs. 2 BGB um eine therapeutische Aufklärung. Für deren Fehlerhaftigkeit trage der Patient die Beweislast.

§ 309 Nr. 12 BGB werde jedoch bezüglich einer Aufklärung und deren Bestätigung bei einem Arzt-Patienten-Verhältnis eingeschränkt angewendet. Dies finde seinen Grund darin, dass gemäß § 630 e Abs. 2 S.2 BGB der Arzt dem Patienten bei mündlicher Aufklärung schriftliche Unterlagen übergeben und sich den Erhalt bestätigen lassen darf. Wenn § 309 Nr. 12 BGB ohne Einschränkung auf den Behandlungsvertrag angewendet würde, liefe der Anwendungsbereich von § 630e Abs. 2 S.2 faktisch leer.

Auch verstießen die beanstandeten Klauseln nicht gegen § 307 BGB als „aggressive geschäftliche Handlung“, da es zu den Pflichten eines Arztes gehöre den Patienten auf drohende Gefahren sowie deren Folgen hinzuweisen und, so der Bundesgerichtshof; dies auch mit Nachdruck. Ebenso wenig sei die gewählte Formulierung des Berufsverbandes zu beanstanden. Eine Untersuchung, die „trotz des Fehlens typischer Beschwerden ärztlich geboten“ wäre, sei für den Patienten als nach objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen vertretbar, jedoch nicht zwingend notwendig, zu verstehen.

Für weitergehende Fragen zum Thema Arzthaftungsrecht steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Stephan Kersten gern zur Verfügung.


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