Kurzarbeitergeld – Ein letzter finanzieller Hoffnungsschimmer in der Corona-Krise?
In den letzten Tagen liest und hört man vor allem von einem Begriff, wenn es darum geht, in Zeiten der Corona-Krise, sei es als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, dem finanziellen Ruin zu entgehen – Kurzarbeitergeld. Doch nur wenigen ist klar, wie man es erhält, wer es erhält und was es tatsächlich damit auf sich hat. Der folgende Beitrag soll einen Überblick über all die wesentlichen Fragen und Themen in Zusammenhang mit der Kurzarbeit und dem Kurzarbeitergeld Aufschluss geben.
Warum ist das Thema Kurzarbeit durch die Corona-Krise überhaupt aktuell geworden?
Der Bundestag hat die Bundesregierung am 13.3.2020 ermächtigt mittels Verordnung die Anforderungen an den Erhalt des Kurzarbeitergelds an die aktuelle Corona-Krisenlage in der Bundesrepublik anzupassen. Nunmehr gelten mit Verordnung vom 23.03.20 die folgenden Anforderungen:
- Es müssen mindestens 10 % der Mitarbeiter betroffen sein und einen Arbeitsentgeltausfall von mindestens 10 % haben. Zuvor mussten mindestens 33 % der Mitarbeiter betroffen sein.
- Die Bundesagentur für Arbeit erstattet vollständig die Sozialversicherungsbeiträge, die auf die ausgefallenen Arbeitsstunden anfallen. Bisher wurden diese zu 80 % vom Arbeitgeber getragen.
- Zukünftig sollen auch Leiharbeitnehmer unter das Kurzarbeitergeld fallen.
- Überstunden und Arbeitszeitkonten müssen aktuell nicht mehr auf Null oder sogar ins Minus gefahren werden.
- Das Kurzarbeitergeld kann man rückwirkend bis zum 1.3.2020 beantragen.
- Das KUG wird für eine Dauer von bis zu 12 Monaten gewährt.
Kurz gesagt sind die Anforderungen mittlerweile derart gesunken, dass sich der mögliche Kreis an Anspruchsberechtigten erheblich erweiterte hat.
Was bedeuten Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld?
Kurzarbeit bedeutet, dass ein Arbeitnehmer vorübergehend weniger oder gar nicht arbeiten soll. Dies dient dem Unternehmen dazu, durch die Einsparung von Personalkosten, den finanziellen Ruin abzuwenden und so liquide zu bleiben. Um finanzielle Einbußen bei den Arbeitnehmern durch die verringerte Arbeitszeit möglichst zu vermeiden, gibt es das sogenannte Kurzarbeitergeld. Aus Sicht des Arbeitgebers dient die Kurzarbeit dazu, trotz wirtschaftlicher Notlage aufgrund von Einbußen bei der Auftragserteilung fähige Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden und dabei gleichsam Personalkosten einzusparen. Für die Arbeitnehmer dient das Kurzarbeitergeld dazu, die Entgeltdifferenz zwischen den kürzeren Arbeitszeiten und dem Lohnanspruch auszugleichen, indem der Arbeitnehmer 60 % bzw. 67 % seiner ursprünglichen Nettoentgeltdifferenz erhält. Das Kurzarbeitergeld ist eine Institution der Arbeitslosenversicherung.
Kurzarbeitergeld im Minijob?
Kurzarbeitergeld kann nur für sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer ausgezahlt werden. Demnach wird nur für solche Arbeitnehmer das Kurzarbeitergeld ausgezahlt, die in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, nicht gekündigt sind und deren Arbeitsverhältnis nicht durch einen Aufhebungsvertrag beendet ist oder wird. Kein Kurzarbeitergeld erhalten daher:
– geringfügig Beschäftigte (Minijobber)
– Praktikanten und Aushilfen auf 450 €-Basis
– Werkstudenten, sofern für sie das Werkstudentenprivileg gilt
– sozialversicherungsfreie Geschäftsführer
– Bezieher von Krankengeld
– Heimarbeiter
– Auszubildende, da sie explizit vom Kurzarbeitergeld ausgenommen sind
Diese Mitarbeiter behalten daher einen Anspruch auf ihr reguläres Gehalt. Etwas anderes gilt nur, wenn mit dem jeweiligen Mitarbeiter ein individueller Änderungsvertrag geschlossen wird und dadurch die Arbeitszeit verkürzt oder das Arbeitsverhältnis pausiert wird.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Kurzarbeitergeld zu erhalten? Welche Unternehmen können Kurzarbeitergeld beantragen?
Es kommt nicht auf die Art des Unternehmens an. Sowohl ein Theater als auch ein Metzgereibetrieb kann das Kurzarbeitergeld beantragen. Allerdings soll nur das Unternehmen finanzielle Unterstützung durch Kurzarbeitergeld erfahren, das sich tatsächlich in einer wirtschaftlichen Notlage befindet. Deshalb müssen die folgenden vier Voraussetzungen für den Erhalt des Kurzarbeitergeldes erfüllt sein, damit der Antrag eines Unternehmers auf Erstattung des Kurzarbeitergelds Aussicht auf Erfolg hat:
- erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall
- betriebliche Voraussetzungen
- persönliche Voraussetzungen
- Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit
Die erste Voraussetzung: Erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall
Reine finanzielle Ausfälle werden durch das Kurzarbeitergeld nicht gefördert. Das heißt, dass der Arbeitsausfall entweder durch wirtschaftliche Gründe oder unabwendbare Ereignisse begründet sein muss. Derzeit dürfte der wichtigste Grund die behördliche Maßnahme darstellen, insbesondere die coronabedingte Schließung von Betrieben. Darüber hinaus muss der Arbeitsausfall unvermeidbar und vorübergehend sein und gewisse Mindestanforderungen müssen erfüllt sein.
Unvermeidbar ist der Arbeitsausfall, wenn seitens des Unternehmers alles getan worden ist, um den Beschäftigten anderweitig im Betrieb einzusetzen. Vorübergehend meint, dass es relativ wahrscheinlich ist, dass in absehbarer Zeit Vollarbeit wieder möglich ist. Die zu erfüllenden Mindestvoraussetzungen bestehen darin, dass mindestens 10 % der Beschäftigten von jeweils mehr als 10 % Arbeitsentgeltausfall betroffen sein müssen. Wichtig ist hierbei, dass Geringverdiener bei der Gesamtzahl der Beschäftigten mitgezählt werden, auch wenn sie selbst keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben, wohingegen Auszubildende nicht mitgezählt werden.
Die zweite Voraussetzung: Betriebliche Voraussetzungen
Es muss mindestens eine Person beschäftigt sein, die sozialversicherungspflichtig ist. Gegebenenfalls kann auch nur für eine Betriebsabteilung Kurzarbeitergeld gewährt werden, beispielsweise für die Produktion. Demnach muss nicht für den gesamten Betrieb Kurzarbeit beantragt werden, wenn andere Betriebszweige noch funktionsfähig sind.
Die dritte Voraussetzung: Personelle Voraussetzungen
Das Kurzarbeitergeld kann nur für Arbeitnehmer beantragt werden, die sozialversicherungspflichtig sind, das heißt, für Arbeitnehmer, die in die Arbeitslosenversicherung einzahlen.
Die vierte Voraussetzung: Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit
Als vierte Voraussetzung muss der Arbeitgeber alle notwendigen Formulare ausfüllen, um bei der Bundesagentur für Arbeit für seine Arbeitnehmer den Erhalt von Kurzarbeitergeld zu beantragen. Dies kann jedoch mehrere Tage oder Wochen in Anspruch nehmen. Auch hier gilt der Grundsatz: Wer zuerst kommt, malt zuerst. Mit anderen Worten wird vor allem zuerst der Arbeitgeber finanzielle Unterstützung in Form des Kurzarbeitergelds erhalten, der sich frühestmöglich um das Kurzarbeitergeld bemüht. Darüber hinaus gelten auch beim Kurzarbeitergeld Fristen. Das Kurzarbeitergeld muss spätestens am letzten Werktag des Monats, in dem die Kurzarbeit eingetreten ist, bei der Bundesagentur beantragt werden; die sogenannte Arbeitsausfallanzeige gemäß § 99 SGB III. Fristversäumnisse gehen zu Lasten des Unternehmers!
Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit – Welche Schritte sind notwendig?
Wie sooft im Arbeitsrecht kommt es auch beim Kurzarbeitergeld in erster Linie auf eine effektive Kommunikation zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer an und vor allem darauf, dass der Arbeitgeber rechtzeitig tätig wird. Kurzarbeit kann nur dann bei der Bundesagentur beantragt werden, wenn der jeweilige betroffene Arbeitnehmer zustimmt oder es bereits im Arbeitsvertrag vorgesehen ist. Zu diesem Zweck ist von jedem Arbeitnehmer eine persönliche Einverständniserklärung einzuholen. Selbstverständlich muss ein Betriebsrat mit einbezogen werden und der Kurzarbeit zustimmen, sofern ein solcher vorhanden ist. Natürlich kann diesbezüglich auch eine Betriebsvereinbarung geschlossen werden.
Nach der erforderlichen Zustimmung des jeweiligen Arbeitnehmers ist die Kurzarbeit bei der Bundesagentur für Arbeit anzuzeigen. Es gibt viele konkreten Erfordernisse die zu beachten sind. Wir beraten Sie hierzu gern im Detail.
Im sich daran anschließenden Leistungsantrag ist die Höhe des Kurzarbeitergeldes zu berechnen. Zu beachten ist hierbei, dass die Arbeitgeber nur die real geleistete Arbeitszeit vergüten. In Bezug auf das Kurzarbeitergeld muss der Arbeitgeber vorstrecken und erst nach Prüfung des Antrags wird das Kurzarbeitergeld von der Bundesagentur erstattet. Daher ist eine umfangreiche Finanzplanung essentiell!
Kurzarbeit? Nein danke! – Kann mich der Arbeitgeber zur Kurzarbeit zwingen oder mich zwangsbeurlauben oder gar kündigen?
Kurzarbeit kann nur mit Zustimmung des jeweiligen Arbeitnehmers beantragt werden. Gibt es allerdings einen Betriebsrat und stimmt dieser der Kurzarbeit zu und hat die Bundesagentur die Kurzarbeit genehmigt, dann muss der Arbeitnehmer, da der Betriebsrat seine Interessen vertritt, in Kurzarbeit tätig werden.
Sofern der Arbeitnehmer die Kurzarbeit ohne Vorhandensein eines Betriebsrats verweigert, kann er dies zwar tun, allerdings kann der Arbeitgeber ihn dann dazu zwingen, seine Überstunden und seinen Urlaub aus dem Vorjahr aufzubrauchen und ihn später sogar betriebsbedingt kündigen. Zu beachten ist allerdings, dass der Urlaub aus dem laufenden Jahr nicht gegen den Willen des jeweiligen Mitarbeiters erteilt werden darf. Für den Arbeitgeber ist es daher empfehlenswert, bereits vor der Anzeige auf Kurzurlaub die Arbeitnehmer dazu aufzufordern, ihren Jahresurlaub zu planen, um so für sich den Betriebsablauf genauestens planen zu können.
Eine betriebsbedingte Kündigung ist vor allem dann trotz Kurzarbeit möglich, wenn, wie im Normalfall, ein Arbeitsplatz dauerhaft wegfällt, weil sich beispielsweise die Auftragslage trotz zunächst günstiger Prognose trotz Kurzarbeit dauerhaft verschlechtert. Allerdings muss dies der Arbeitgeber im Einzelfall nachweisen können.
Zudem ist folgendes zu beachten: Die betriebsbedingte Kündigung kann gerade nicht auf die Gründe gestützt werden, die auch zur Kurzarbeit geführt haben. Dies begründet sich darin, dass die Kurzarbeit und die betriebsbedingte Kündigung in ihrer Natur widersprechen. Während die Kurzarbeit einen vorübergehenden Arbeitsausfall voraussetzt, setzt die betriebsbedingte Kündigung einen dauerhaften Wegfall des Arbeitsplatzes voraus. Auf den Punkt gebracht heißt das:
Der Arbeitnehmer muss wegen der Verweigerung der Kurzarbeit gerade nicht zwangsläufig mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen!
Selbstverständlich ist eine personen-oder verhaltensbedingte Kündigung auch während der Kurzarbeit möglich.
Eine Lösung auf Dauer ohne Risiko? Nicht für den Arbeitgeber!
Diese Frage muss ganz klar verneint werden. Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass ein Betrieb das Kurzarbeitergeld nur maximal für 1 Jahr erhalten kann, in Ausnahmefällen maximal bis zu 2 Jahre.
Man wird sehen, ob bei Andauern der Corona-Krise für einen noch längeren Zeitraum als ein Jahr diese Regelung gegebenenfalls vom Gesetzgeber verändert werden wird. Darauf verlassen sollte man sich allerdings nicht. Darüber hinaus sollten Unternehmen folgendes beachten: Zuerst muss die Arbeitsagentur der Kurzarbeit zustimmen, dann erfolgt die erste Kurzarbeitergeld-Lohnabrechnung, bei der Unternehmer bzw. Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld „vorstrecken“ müssen. Das heißt, dass die eigentliche Entlastung erst dann entsteht, wenn die Arbeitsagentur das Kurzarbeitergeld auf Basis des Leistungsantrags an den Unternehmer ausbezahlt. Mit anderen Worten trägt der Unternehmer bzw. Arbeitgeber allein das Finanzrisiko durch den Vorschuss des Kurzarbeitergelds während des Antragszeitraums, da ihm dieser nur bei Vorliegen der Voraussetzungen erstattet wird. Dieses Risiko ist aufgrund der klaren Voraussetzungen jedoch kalkulierbar!
Gibt es bessere Optionen für den Arbeitgeber?
Denkbare bessere Optionen für den Arbeitgeber gibt es nicht. Natürlich kann der Arbeitgeber, um Personalkosten einzusparen, mit den Mitarbeitern Aufhebungsverträge schließen oder ihnen bei Vorliegen der Voraussetzungen kündigen. Es scheint jedoch derzeit keine bessere Option für den Arbeitgeber als die Kurzarbeit zu geben, um fähige Mitarbeiter im Unternehmen zu halten und dabei gleichsam möglichst viele Personalkosten zu sparen.
Fazit:
Das Kurzarbeitergeld scheint gerade in den derzeitigen Krisenzeiten ein vom Gesetzgeber für den Ausnahmefall vorgesehener Strohhalm zu sein, an dem sich Betriebe, die ansonsten vor dem finanziellen Ruin stünden, in Zeiten der Not festhalten können. Obgleich es sich bei dem Kurzarbeitergeld aufgrund der zeitlichen Befristung von einem Jahr bis maximal zwei Jahren nicht um eine dauerhafte Lösung handelt, ist es jedem Arbeitgeber geraten, das Kurzarbeitergeld schnellstmöglich bei der Bundesagentur für Arbeit zu beantragen, um rückwirkend bis zum 01.03.2020 Kurzarbeitergeld zu erhalten. Nicht umsonst hat die Bundesregierung die Anforderungen an den Erhalt des Kurzarbeitergelds am 13.03.2020 erheblich erleichtert. Derzeit erscheint die Kurzarbeit bzw. das Kurzarbeitergeld die beste Option zu sein, um sich, den Betrieb und vor allem die Arbeitnehmer vor dem finanziellen Ruin zu schützen und damit in der wirtschaftlichen Notlage als eine Art letzter Hoffnungsschimmer in der Corona-Krise.