Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 22. September 2020 (Az. XI ZR 219/19) entschieden, dass Bürgschaften keine Verbraucherverträge sind und demnach auch nicht widerrufen werden können, wenn die Unterzeichnung der Bürgschaft außerhalb der Geschäftsräume stattgefunden hat.
I. Sachverhalt – Was war passiert?
Die Klägerin (Bank) gewährte einer GmbH ein Darlehen. Zur Sicherung dieses Darlehens verbürgte sich der Geschäftsführer der GmbH (Beklagte). Nachdem die Klägerin aufgrund der Insolvenz der GmbH das Darlehen kündigte, forderte sie von dem Bürgen die Darlehenssumme. Daraufhin widerrief der Bürge seine Willenserklärung. Er war der Ansicht, dass ein Widerruf möglich sei, da die Bürgschaft ein widerruflicher Verbrauchervertrag sei.
Das Landgericht folgte seiner Ansicht nicht und verurteilte ihn zur Zahlung. Das Berufungsgericht wiederum stellte sich auf den Standpunkt, dass die Bürgschaft als Verbrauchervertrag widerruflich ist.
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben.
II. Problemstellung
Inwieweit Bürgschaften als Verbraucherverträge gelten, war lange umstritten. Aufgrund der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU sind die §§ 312 ff. BGB im Jahr 2014 neugefasst worden. In § 312 g Abs. 2 Nr. 8 BGB werden Finanzdienstleistungen als Verträge aufgeführt, die dem Widerrufsrecht unterfallen. Ob darunter auch Bürgschaften gefasst werden, war Gegenstand dieses Urteils.
III. Widerrufsrecht
Liegt ein Verbrauchervertrag im Sinne von § 312 BGB vor, entsteht auf Seiten des Verbrauchers ein Widerrufsrecht nach § 312 g BGB für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen. Wird der Widerruf wirksam und fristgemäß erklärt, ist der Verbraucher nach § 355 BGB nicht mehr an seine Willenserklärung gebunden.
IV. Entscheidung des BGH
Der BGH hat entschieden, dass eine Bürgschaft keinen Verbrauchervertrag darstellt. Ein Bürge hat kein Widerrufsrecht nach §§ 312 g, 355 BGB. Demnach kann der Bürge auch nicht seine Willenserklärung widerrufen, die er zum Abschluss der Bürgschaft erteilt hat.
- Vertragscharakteristische Leistung
Das Widerrufsrecht setzt gemäß § 312 Abs. 1 BGB einen Verbrauchervertrag voraus, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat. Die vorherige Fassung des § 312 BGB forderte bloß eine entgeltliche Leistung. Seit der Neufassung der § 312 ff. BGB genügt es nicht mehr, wenn entgeltliche Leistungen zwischen dem Unternehmer (§ 14 BGB) und dem Verbraucher (§ 13 BGB) ausgetauscht werden. Die vertragscharakteristische Leistungspflicht muss nun den Unternehmer treffen, um den Anwendungsbereich des Verbrauchervertragsrechts zu eröffnen.
Eine Bürgschaft verpflichtet jedoch den Bürgen einseitig und gerade nicht den Unternehmer (Bank). Darüber hinaus genügt es nicht, dass der Bürge sein Leistungsversprechen in der erkennbaren Erwartung abgibt, dass ihm oder einem Dritten daraus ein Vorteil erwächst.
Der BGH führte weiter aus, dass es auch nicht genügt, wenn die vertragscharakteristische Leistung des Unternehmers (Darlehensgewährung) an einen Dritten erfolgt.
- Keine Finanzdienstleistung im Sinne von § 312 Abs. 5 BGB
Darüber hinaus lässt sich die Bürgschaft auch nicht unter Finanzdienstleistung im Sinne von § 312 g Abs. 2 Nr. 8 BGB fassen. § 312 Abs. 5 S. 1 BGB definiert die Finanzdienstleistung im Sinne von § 312 g Abs. 2 Nr. 8 BGB und zahlt die Bürgschaft gerade nicht als Finanzdienstleistung auf. Es wird sich dabei kaum um ein Versehen handeln, da dem Gesetzgeber bei der Neufassung der §§ 312 ff. BGB bewusst gewesen ist, wie umstritten die Natur der Bürgschaft in Bezug auf Verbraucherverträge ist. Wenn der Gesetzgeber die Bürgschaft also als Verbrauchervertrag angesehen hätte, dann hätte er sie auch als Finanzdienstleistung in § 312 Abs. 5 BGB genannt. Die Widerruflichkeit von Bürgschaftsverträgen ist demnach nicht vom Gesetzgeber erwünscht. Demnach kann das Widerrufsrecht auch nicht entsprechend auf die Bürgschaft angewendet werden.
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